Dr. Andreas Leupold LL. M. (UT)
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Dr. Andreas Leupold LL. M. (UT)
Rechtsanwalt | Wirtschaftsmediator
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Das Anbieten kurzer Videos auf der Website einer Zeitung kann unter die Regelung über audiovisuelle Mediendienste fallen

27. Oktober 2015

Dies ist der Fall, wenn dieses Angebot in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung eigenständig ist 

New Media Online, eine Gesellschaft mit Sitz in Innsbruck (Österreich), betreibt die Online-Zeitung „Tiroler Tageszeitung Online“ (www.tt.com). Diese Website enthält hauptsächlich Presseartikel. Zur maßgeblichen Zeit (2012) führte jedoch ein Link mit der Bezeichnung „Video“ auf eine Subdomain, auf der anhand eines Suchkatalogs mehr als 300 Videos angesehen werden konnten. Diese Videos unterschiedlicher Länge (30 Sekunden bis mehrere Minuten) betrafen verschiedene Themen, wie etwa lokale Veranstaltungen und Ereignisse, Befragungen von Passanten zu aktuellen Themen, Sportveranstaltungen, Filmtrailer, Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern. Nur wenige Videos hatten einen Bezug zu den Artikeln auf der Website der Zeitung. Ferner wurde ein Teil der Videos von einem regionalen Fernsehsender, Tirol TV, produziert und war auch auf dessen Website zugänglich. 

Nach Ansicht der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) stellt die fragliche Subdomain „Video“ einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf dar, der in Österreich einer Anzeigepflicht unterliegt. Der Bundeskommunikationssenat (die zuständige österreichische Behörde für Berufungen gegen Entscheidungen der KommAustria) bestätigte diese Beurteilung. New Media Online wandte sich daraufhin an den österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste1, die u. a. darauf abzielt, Verbraucher und vor allem Minderjährige zu schützen. In der Richtlinie sind daher Anforderungen festgelegt, die audiovisuelle Mediendienste insbesondere hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen und Sponsoring erfüllen müssen. 

Nach der Richtlinie ist ein audiovisueller Mediendienst entweder ein Fernsehprogramm oder ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf. Sein Hauptzweck besteht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass sie nicht für elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gilt. 

Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof erstens, dass der Begriff „Sendung“ im Sinne der Richtlinie die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Website einer Zeitung erfasst

Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, dass die Dauer der Videos unerheblich ist und sich die Art und Weise, wie die in Rede stehenden Videos ausgewählt werden, nicht von derjenigen unterscheidet, die im Rahmen der audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird. Zudem treten Videos wie die in Rede stehenden in Wettbewerb zu den von den regionalen Fernsehsendern angebotenen Informationsdiensten sowie zu Musikkanälen, Sportkanälen und Unterhaltungssendungen. Die Richtlinie zielt aber gerade darauf ab, dass in einem besonders wettbewerbsstarken Medienumfeld für Anbieter, die sich an das gleiche Publikum richten, die gleichen Regeln gelten und verhindert wird, dass audiovisuelle Mediendienste auf Abruf wie die fragliche Videosammlung dem herkömmlichen Fernsehen gegenüber unlauteren Wettbewerb betreiben können. 

Der Gerichtshof antwortet zweitens, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Website eigenständig und nicht nur eine – insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen – unabtrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Diese Beurteilung ist Sache des Verwaltungsgerichtshofs. 

Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass die elektronische Ausgabe einer Zeitung trotz der audiovisuellen Elemente, die sie enthält, nicht als ein audiovisueller Dienst zu betrachten ist, wenn diese audiovisuellen Elemente eine Nebenerscheinung darstellen und nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots dienen. 

Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass ein audiovisueller Dienst nicht immer und schon dann vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen ist, wenn der Betreiber der Website, zu der dieser Dienst gehört, eine Online-Zeitung verlegt. Ein Videobereich, der im Rahmen einer einheitlichen Website die Voraussetzungen für eine Einstufung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfüllt, verliert diese Eigenschaft nicht allein deshalb, weil er von der Website einer Zeitung aus zugänglich ist oder in deren Rahmen angeboten wird. 

Im vorliegenden Fall scheinen nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt zu sein. Auch ist offenbar die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit von New Media Online eigenständig und damit ein Dienst ist, der sich von den übrigen von New Media Online angebotenen Diensten unterscheidet. Diese Beurteilung ist jedoch Sache des Verwaltungsgerichtshofs. 

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. 

1 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (ABl. L 95, S. 1). 

Quelle: Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union Nr. 127/15 vom 21.10.2015
Abrufbar unter: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2015-10/cp150127de.pdf

 

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