Dr. Andreas Leupold LL. M. (UT)
Leupold Legal
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Dr. Andreas Leupold LL. M. (UT)
Rechtsanwalt | Wirtschaftsmediator
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EuGH zur Höhe der Abgabe für Privatkopien eines geschützten Werks

10. April 2014

Bei der Höhe der Abgabe für die Anfertigung von Privatkopien eines geschützten Werks dürfen unrechtmäßige Vervielfältigungen nicht berücksichtigt werden

Diese Feststellung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass keine anwendbare technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien zu bekämpfen

Die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts1 ermöglicht den Mitgliedstaaten, eine Ausnahme von dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht der Urheber und der Inhaber verwandter Schutzrechte festzulegen, nach der Privatkopien angefertigt werden dürfen (Privatkopieausnahme). Sie bestimmt außerdem, dass die Mitgliedstaaten, die sich für die Einführung einer solchen Ausnahme in ihr innerstaatliches Recht entscheiden, verpflichtet sind, die Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ an die Urheberrechtsinhaber vorzusehen, um diese für die Nutzung ihrer Werke oder anderen Schutzgegenstände angemessen zu entschädigen.

ACI Adam u. a. sind Importeure und/oder Hersteller von unbeschriebenen Datenträgern wie CDs oder CD-Rs. Nach den niederländischen Rechtsvorschriften müssen diese Unternehmen die Privatkopievergütung an die Stiftung Stichting de Thuiskopie entrichten. Die Höhe dieser Vergütung wird von einer anderen Stiftung, der SONT, festgelegt.

Nach Ansicht von ACI Adam u. a. hätte die SONT bei der Festlegung der Höhe der Vergütung nicht den Schaden berücksichtigen dürfen, der den Inhabern von Urheberrechten durch Privatkopien entstehen kann, die auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden.

Vor diesem Hintergrund hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass es ganz offensichtlich eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts zur Folge hätte, wenn die Mitgliedstaaten befugt wären, Rechtsvorschriften zu erlassen, nach denen u. a. die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle zulässig wäre.

Des Weiteren darf die Verwirklichung des Ziels, die Verbreitung der Kultur zu fördern, nicht durch Verzicht auf einen rigorosen Schutz der Urheberrechte oder durch Duldung der unrechtmäßigen Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken erfolgen.

Daher entscheidet der Gerichtshof, dass nationale Rechtsvorschriften, die in keiner Weise zwischen Privatkopien, die auf der Grundlage von rechtmäßigen Quellen angefertigt werden, und solchen unterscheiden, die auf der Grundlage von nachgeahmten oder gefälschten Werken angefertigt werden, nicht geduldet werden können.

Denn zum einen würde es die Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken fördern und damit zwangsläufig den Umfang der Verkäufe oder anderer rechtmäßiger Transaktionen im Zusammenhang mit geschützten Werken verringern und daher die normale Verwertung dieser Werke beeinträchtigen, wenn man zuließe, dass solche privaten Vervielfältigungen auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden dürften. Zum anderen kann die Anwendung solcher nationaler Rechtsvorschriften die Inhaber von Urheberrechten ungebührlich schädigen.

Im Übrigen ist es nach Auffassung des Gerichtshofs Sache des Mitgliedstaats, der die Anfertigung von Privatkopien gestattet hat, eine korrekte Anwendung dieser Erlaubnis sicherzustellen und somit Handlungen einzuschränken, die von den Rechtsinhabern nicht genehmigt wurden.

Nationale Rechtsvorschriften aber, die nicht zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen privaten Vervielfältigungen unterscheiden, können keine korrekte Anwendung der Privatkopieausnahme sicherstellen. Der Umstand, dass keine anwendbare technische Maßnahme existiert, um die Anfertigung von unrechtmäßigen Privatkopien zu bekämpfen, vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen.

Außerdem muss das Vergütungssystem einen angemessenen Rechts- und Interessenausgleich zwischen den Urhebern (als Empfängern des gerechten Ausgleichs) und den Nutzern von Schutzgegenständen sichern.

Ein System der Privatkopievergütung, das hinsichtlich der Berechnung des gerechten Ausgleichs, der den Anspruchsberechtigten gebührt, nicht danach unterscheidet, ob die Quelle, auf deren Grundlage eine private Vervielfältigung angefertigt wurde, rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, trägt aber nicht zu diesem angemessenen Ausgleich bei.

In einem solchen System wird der entstandene Schaden und somit die Höhe des gerechten Ausgleichs, der den Anspruchsberechtigten gebührt, nach Auffassung des Gerichtshofs nämlich aufgrund des Kriteriums des Schadens berechnet, der den Urhebern sowohl durch private Vervielfältigungen, die auf der Grundlage einer rechtmäßigen Quelle angefertigt werden, als auch durch solche entsteht, die auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden. Der so errechnete Betrag wird dann auf den Preis überwälzt, den die Nutzer von Schutzgegenständen zum Zeitpunkt der Zurverfügungstellung von Anlagen, Geräten und Trägern, mit denen Privatkopien angefertigt werden können, zahlen.

Dadurch werden mittelbar alle Nutzer bestraft, da sie zwangsläufig zum Ausgleich des Schadens beitragen, der durch private Vervielfältigungen entsteht, die auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle angefertigt werden. Somit müssen die Nutzer nicht unerhebliche Zusatzkosten in Kauf nehmen, um Privatkopien anfertigen zu können.

1 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 58/14 vom 10.04.2014, abrufbar unter http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-04/cp140058de.pdf.

 

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